Beleidigung01.03.2022

Beleidigung am Arbeitsplatz: Wann kann der Arbeitgeber wegen Beleidigung kündigen?Kündigungsinteresse des Arbeitgebers vs. Arbeitnehmerinteresse

Durch eine Beleidigung wird die Ehre eines anderen herabgesetzt. Sie stellt eine Kundgabe der Missachtung dar. Wird eine Beleidigung daher am Arbeitsplatz geäußert, kann dies den Betriebsfrieden stören oder Geschäftsbeziehungen gefährden. Aber kann der Arbeitgeber deswegen dem Arbeitnehmer auch kündigen?

Wann kann ein Chef wegen Beleidigung kündigen?

Ein Arbeitgeber darf einem Arbeitnehmer wegen einer ausgesprochenen Beleidigung kündigen, wenn die Beleidigung geeignet ist, den Betriebsfrieden nachhaltig zu stören. Wann dies der Fall ist, hängt in erster Linie von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigende Umstände können etwa sein: Dauer der Betriebszugehörigkeit, zuvor ergangene Abmahnungen, gezeigte Reue, Grund der getätigten Äußerung oder bestehende Behinderungen. Der Arbeitgeber ist daher unter Umständen dazu verpflichtet, vor der Kündigung als milderes Mittel eine Abmahnung auszusprechen.

Folgende Umstände sind ebenfalls von Bedeutung:

  • Schriftliche oder mündliche Beleidigung

    Maßgeblich ist, ob die Beleidigung schriftlich oder mündlich geäußert wird. Bei einer schriftlichen Beleidigung kann etwa davon ausgegangen werden, dass sie wohlüberlegt erfolgte. Zudem kann sie, wenn sie etwa bei Facebook gepostet wurde, von einer Vielzahl von Leuten gelesen werden und somit erheblichen Schaden anrichten. Beide Umstände können daher eine Kündigung rechtfertigen.

    Hier ein paar Kündigungsbeispiele aufgrund eines beleidigenden Beitrags auf Facebook:

    o Auszubildender bezeichnet Arbeitgeber als „Menschenschinder und Ausbeuter“ (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12, noch anders die Vorinstanz: Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 29.03.2012, Az. 3 Ca 1283/11)

    o Benennung eines Vorgesetzten als „kleinen scheisshaufen“, „faules schwein der noch nie gearbeitet hat in seinem scheissleben“, „drecksau“ und „doofmann“ (Arbeitsgericht Hagen, Urteil vom 16.05.2012, Az. 3 Ca 2597/11)

    Wird die Beleidigung dagegen mündlich geäußert, so kann zugunsten des Arbeitnehmers sprechen, dass er sie im Affekt tätigte oder auf eine Provokation reagierte. Von einer schweren Vertragsverletzung kann in einem solchen Fall nicht gesprochen werden.

    Hier ein paar Beispiele bei denen eine Kündigung unwirksam war:

    o Bezeichnung eines Kundenvertreters als „Arschloch“ (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.04.2010, Az. 4 Sa 474/09)

    o Äußerung gegenüber Vorgesetzte: „Klei mi ann Mors“ (Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 12.05.2009, Az. 21 Ca 490/08)

    o Benennung des Vorgesetzten als „Wichser“ (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.08.2011, Az. 2 Sa 232/11)

    o Bemerkung gegenüber Vorgesetzten: „Jawohl, mein Führer“ (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2011, Az. 11 Sa 353/10)

    Darüber hinaus ist die Beweisbarkeit bei mündlich geäußerten Beleidigungen erschwert. Kann der Arbeitgeber weder den genauen Zeitpunkt noch den genauen Ort des Fehlverhaltens nennen, kann die Kündigung unwirksam sein (Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 30.09.2009, Az. 18 Ca 10651/08).

  • Umfeld der Beleidigung

    Ebenfalls von Bedeutung ist, in welchem Umfeld die Beleidigung fiel. So gibt es Berufe, bei denen angesichts des üblichen derben Umgangstons Beleidigungen weniger schwer wiegen können, als in anderen Berufen.

    Auch wenn die in einem vertraulichen Gespräch mit Kollegen beleidigende Äußerungen über nicht anwesende Vorgesetzte geäußert werden, so rechtfertigt dies regelmäßig weder eine fristlose noch ordentliche Kündigung, sofern der Arbeitnehmer auf die Vertraulichkeit des Gesprächs vertrauen darf (Landesarbeitsgericht Mainz, Urteil vom 22.01.2015, Az. 3 Sa 571/14).

  • Art der Beleidigung

    In manchen Fällen ist eine Kündigung aber schon allein wegen der Schwere der Beleidigung gerechtfertigt. Auch muss die Beleidigung nicht stets geäußert werden. Es genügt etwa das Zeigen des Stinkefingers (Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 07.08.2012, Az. AN 8 P 12.00441). In folgenden Fällen war eine Kündigung aufgrund einer groben Beleidigung gerechtfertigt:

    o „Besser eine Frau mit Charakter, als drei Schlampen“, sexuell gefärbte grobe Beleidigungen gegenüber Vorgesetzte trotz Abmahnung (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.06.2011, Az. 5 Sa 509/10)

    o Gegenüber Arbeitgeber geäußerte Bemerkung: „Wie sie mit Menschen umgeht, da komme ich mir vor wie im Dritten Reich“ (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.09.2010, Az. 3 Sa 243/10)

    o Bezeichnung eines Vorgesetzten als „Wichser“, „Arschloch“ und „arme Sau“ sowie Äußerung „könne nicht ficken und nicht saufen“ verbunden mit Zeigen des Mittelfingers (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 30.06.2004, Az. 18 Sa 836/04)

    o Auch die Beleidigung des Unternehmens, bei dem der Arbeitnehmer angestellt ist, kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Die Bezeichnung der Zustände im Betrieb als „schlimmer als in einem KZ“ stellt einen wichtigen Kündigungsgrund dar. Derartige Äußerungen sind eine schwerwiegende Verletzung der Ehre der für den Betrieb und den Arbeitsplatz Verantwortlichen (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 03.09.2008, Az. 8 TaBV 10/08 ).

    o „Ich mache die ganze Scheiße nicht mehr mit“ rechtfertigt hingegen in der Regel keine Kündigung, sofern mit der Benutzung des Wortes „Scheiße“ nicht der Arbeitgeber oder Kollegen herabgewürdigt werden, sondern es sich um eine ausfällige Kritik an den Arbeitsbedingungen handelt (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.12.2010, Az. 10 Sa 308/10).

    Kündigungsinteresse des Arbeitgebers vs. Arbeitnehmerinteresse

    Ob eine Beleidigung letztlich eine Kündigung rechtfertigt, ist im Rahmen einer Interessenabwägung mit den Interessen des beleidigenden Arbeitnehmers zu prüfen. So verneinte das Hessische Landesarbeitsgericht in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen mit den Zuständen in einem Konzentrationslager verglichen hatte, die Wirksamkeit der Kündigung, da es sich um einen einmaligen Vorfall nach 35jähriger Betriebszugehörigkeit eines schwerbehinderten Mitarbeiters im Alter von Mitte 50 handelte, und der Mitarbeiter sich glaubhaft entschuldigt hatte. Deshalb falle die Interessenabwägung in diesem konkreten Fall zugunsten des Arbeitnehmers aus, so das Hessische Landesarbeitsgericht.

    Diese Rechtsfrage wurde aktualisiert. Antworten auf aktuelle Rechtsfragen finden Sie bei www.refrago.de (REchtsFRAGenOnline).

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3 Gedanken zu „Beleidigung am Arbeitsplatz: Wann kann der Arbeitgeber wegen Beleidigung kündigen?

  • 18. Dezember 2016 um 10:05 Uhr
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    Wurde als Schwanzlutscher faule Sau Mime-Trense vom Schichtführer
    genannt unter5 zeugen
    Frage welche rechte hab ich

    Antwort
  • 26. Mai 2016 um 11:05 Uhr
    Permalink

    Kann ich meinen azubi fristlos kündigen wenn es ein Beweis material audio giebt wo der azubi den Chef. Namendlich erwähnt und sie als hurre nutte beschimpft.

    Antwort
  • 14. Mai 2014 um 16:58 Uhr
    Permalink

    Wüsste gerne was ein Richter, der Wichser für keinen Kündigungsgrund hält, sagt, wenn deswegen der so unterliegende Arbeitgeber im Affekt anschließend ihn deswegen als Wichser bezeichnet?

    Antwort

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