Rechtsfrage zur BUV30.06.2015

Was bedeutet "abstrakte Verweisung" in meiner Berufsunfähigkeitsversicherung?Generell wird zwischen konkreten und abstrakten Verweisungsklauseln unterschieden

Beinhaltet die Berufsunfähigkeitsversicherung eine abstrakte Verweisungsklausel, so hat der Versicherer im Leistungsfall unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, den Versicherer auf einen Vergleichsberuf zu verweisen. Aber was besagt die „abstrakte Verweisung“ in einer Berufsunfähigkeitsversicherung genau?

Prinzipiell versichert eine Berufsunfähigkeitsversicherung den zuletzt ausgeübten Beruf. Wenn der Versicherungsnehmer seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung im positiv beschiedenen Leistungsfall – nach Überprüfung der die Berufsunfähigkeit verursachende Erkrankung und ggf. der Vorerkrankungen – die vertraglich vereinbarte BU-Rente.

Bis zum Jahr 2001 war laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) die „abstrakte Verweisungsklausel“ ein wesentlicher Bestandteil von Berufsunfähigkeitsversicherungen. Aus Gründen des Wettbewerbs tauchen abstrakte Verweisungsklauseln inzwischen jedoch immer seltener in Versicherungsbedingungen auf – tendenziell sind es eher Versicherer mit günstigen Versicherungstarifen, die derartige Verweisungsklauseln noch in ihren Versicherungsbedingungen verwenden.

Konkrete und abstrakte Verweisungsklauseln

Generell wird zwischen konkreten und abstrakten Verweisungsklauseln unterschieden.

Bei einer konkreten Verweisung kann der Versicherte im Rahmen der Erstprüfung als auch Nachprüfung auf eine tatsächlich ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden. Allerdings kann der Versicherer eine BU-Rente nur dann verweigern, wenn der Versicherungsnehmer eine Tätigkeit freiwillig ausübt, welche seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Näheres regeln die jeweiligen Versicherungsbedingungen.

Beinhaltet eine Berufsunfähigkeitsversicherung hingegen eine abstrakte Verweisung, bedeutet das für den Versicherungsnehmer zunächst, dass bei Beantragung einer Berufsunfähigkeit nicht nur eine Berufsunfähigkeit für den aktuell ausgeübten Beruf vorliegen muss, sondern auch für einen generellen Vergleichsberuf – selbst wenn der Versicherungsnehmer diesen bei Beantragung der BU-Rente gar nicht ausübt. Das heißt, der Versicherungsnehmer wird schon dann als nicht berufsunfähig erachtet, wenn er gesundheitlich dazu in der Lage ist, generell in einem vergleichbaren Beruf zu arbeiten. Die abstrakte Verweisung findet auch Anwendung, wenn der Versicherungsnehmer nur teilweise berufsunfähig ist (BGH, Urt. v. 3.11.1993 – IV ZR 185/92).

Die Identifizierung einer abstrakten Verweisung in den Versicherungsbedingungen ist nicht immer einfach, denn oft findet sich der Begriff „abstrakte Verweisung“ gar nicht im Wortlaut der jeweiligen Regelung wieder. Abstrakte Verweisungsklauseln haben nicht selten einen ähnlichen Wortlaut wie diesen:

„Eine Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte voraussichtlich dauerhaft aufgrund von Krankheit, Verletzung oder Kräfteverfall nicht in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf oder eine andere seinen Fähigkeiten und Erfahrungen angemessene Tätigkeit auszuüben, welche seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“

Im Gegensatz zur konkreten Verweisung stellen die meisten Versicherungsbedingungen bei der abstrakten Verweisung nicht nur auf die Lebensstellung des Versicherten ab, sondern schließen als Voraussetzung für einen Verweisungsberuf auch den beruflichen Werdegang (Ausbildung, berufliche Kenntnisse etc.) des Versicherungsnehmers mit ein.

Voraussetzungen einer abstrakten Verweisung

Kommt es zum Leistungsfall, kann der Versicherer die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente verweigern, wenn der Versicherer einen gleichwertigen Beruf (Verweisungsberuf) unter Angabe der prägenden Merkmale dieses Berufes darlegen kann.

Die Darlegungs- und Beweislast, dass der Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Verfassung in dem Vergleichsberuf tatsächlich arbeiten kann, lieg grundsätzlich beim Versicherer (vgl. BGH, Urt. v. 19.5.1993 – IV ZR 80/92).

Es ist hingegen an dem Versicherungsnehmer vorzutragen und zu beweisen, dass er nicht auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden darf. Diesen Negativbeweis wird er nur dann ordnungsgemäß antreten können, wenn der Versicherer den von ihm beanspruchten Vergleichs-/Verweisungsberuf bezüglich der ihn jeweils prägenden Merkmale (insbesondere erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedingungen, z.B. Arbeitsplatzverhältnisse, Arbeitszeiten, ferner übliche Entlohnung, etwa erforderliche Fähigkeiten oder körperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel) näher konkretisiert hat.

Die neue Tätigkeit muss zudem der bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers entsprechen, die unter anderem vom sozialen und wirtschaftlichen Status bestimmt wird. Das ist jedoch nicht im Sinne einer Bestandssicherung zu verstehen: Ein Verweisungsberuf kann nämlich auch dann vorliegen, wenn damit Einkommensverluste, eine Verschlechterung der Wegstrecke zum Arbeitsort oder hinzunehmende Abstriche bei der sozialen Wertschätzung verbunden sind (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.1986 – IVa ZR 252/84).

So wird zwar ein zur Ausübung einer Verweisungstätigkeit erforderlicher Wohnortwechsel als unzumutbar erachtet, ein Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort von bis zu 40 km, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, insbesondere den familiären Verhältnissen, jedoch nicht (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 26.02.2015 – Az. 8 U 266/13).

Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung ist man gut beraten, im Vertrag einen ausdrücklichen Verzicht auf etwaige standardmäßig enthaltene abstrakte Verweisungen zu vereinbaren. Der Verzicht auf eine solche Klausel fließt im Übrigen in die Bewertung von BU-Versicherern ein: Diese schneiden im Rahmen von Verbrauchertests besser ab, wenn sie ausdrücklich auf eine abstrakte Verweisungsklausel verzichten.

Mehr Informationen zur Berufsunfähigkeit

Ausführlich zum Thema Berufsunfähigkeit informieren wir auf unserer Webseite www.bu-beratung24.de.

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