Tierhalterhaftung13.08.2015

Was versteht man unter Tierhalterhaftung und wann haftet man als Tierhalter?

Richtet ein Tier einen Schaden an, so kann dafür der Halter des Tiers haften. Man spricht dann von der Tierhalterhaftung. Doch was ist darunter zu verstehen und welche Voraussetzungen müssen dafür vorliegen?

Was versteht man unter Tierhalterhaftung?

Unter Tierhalterhaftung versteht man den Umstand, dass ein Tierhalter für den von seinem Tier verursachten Schaden unter bestimmten Voraussetzungen einstehen muss, sich also schadenersatzpflichtig macht. Geregelt ist dies in § 833 BGB. Zu unterscheiden ist dabei die Haftung für Schäden durch Luxustiere und Nutztiere.

  • Haftung bei Luxustieren (§ 833 Satz 1 BGB)

    Der Halter eines Luxustiers haftet immer dann, wenn durch das Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Zu beachten ist, dass es dabei nicht auf ein Verschulden des Tierhalters ankommt. Man spricht in einem solchen Fall von einer Gefährdungshaftung. Die Tierhaltehaftung greift daher auch dann, wenn dem Tierhalter kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen ist.

  • Haftung bei Nutztieren (§ 833 Satz 2 BGB)

    Wenn es sich demgegenüber bei dem Tier um ein Haustier handelt, welches dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, kommt es auf ein Verschulden des Tierhalters an. Er haftet nur dann, wenn er seine Aufsichtspflicht verletzt hat und der Schaden bei einer ordnungsgemäßen Aufsicht nicht entstanden wäre. Dieser Umstand wird zwar stets vermutet, kann aber vom Tierhalter widerlegt werden.

    Als Nutztiere gelten zum Beispiel Tiere in der Landwirtschaft, Dienstpferde und -hunde der Polizei sowie Blindenhunde.

Wann haftet man als Tierhalter?

§ 833 BGB erfasst die mit der Tierhaltung verbundenen außergewöhnlichen Gefahren. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs solle die Vorschrift vor der Unberechenbarkeit des Verhaltens eines Tiers und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung schützen. Der Tierhalter muss demnach für alle von dem Tier verursachten Schäden einstehen, die infolge der tierischen Unberechenbarkeit entstehen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.1976, Az. VI ZR 177/75). Somit kommt es maßgeblich darauf an, ob sich die spezifische Tiergefahr verwirklicht hat.
Im Einzelnen gilt folgendes:

  • stürzende Tiere

    Stürzt ein Tier und kommt es dadurch allein aufgrund seines Gewichts zu einem Schaden, kommt eine Tierhalterhaftung dann nicht in Betracht, wenn das Tier nur als „tote Masse“ wirkte. Dieser Fall ist aber wohl nur unter der Voraussetzung anzunehmen, dass das Tier gestoßen und somit als „Werkzeug“ benutzt wird. In der Regel wird der Sturz die Folge eines vorangegangenen typischen tierischen Verhaltens sein. In diesem Fall greift die Tierhalterhaftung (Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 20.11.1981, Az. 2 U 73/81).

  • Tier als Verkehrshindernis

    Kommt es wegen eines auf der Straße stehenden Tiers zu einem Unfall, hat sich darin regelmäßig die typische Tiergefahr verwirklicht, so dass es zu einer Haftung des Tierhalters kommt. Die Realisierung der Tiergefahr liege nach Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken darin, dass das Tier sich eigenmächtig ohne Rücksicht auf den Verkehr auf die Fahrbahn begibt (Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 17.01.2006, Az. 4 U 615/04 - 55/05).

  • Tiere unter menschlicher Leitung

    Wird ein Tier durch einen Menschen geleitet und kommt es dabei zu einem Schadensfall, haftet der Tierhalter nicht. Denn in diesem Fall beruht die Schädigung nicht auf eine typische Tiergefahr, sondern auf eine Steuerung durch einen Menschen. Das Tier wird als „Werkzeug“ benutzt. Somit haftet nicht der Halter, sondern der Leiter des Tiers.

  • Deckakt eines Tiers

    Kommt es zu einem ungewollten Deckakt, haftet dafür der Halter des deckenden Tiers. Denn in dem Akt verwirklicht sich eine typische Tiergefahr. Dabei spielt es keine Rolle, dass das Tier unter dem Zwang seines Geschlechtstriebs handelt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.07.1976, Az. VI ZR 177/75 und Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 07.02.1990, Az. 13 U 62/88).

  • Sturz über Tier

    Bei einem Sturz über ein Tier verwirklicht sich in der Regel eine typische Tiergefahr. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich das Tier unbekümmert ohne Rücksicht auf Personen an einem Ort niederlegt und somit ein Hindernis bildet. Eine Tierhalterhaftung ist zum Beispiel bei einem Sturz aufgrund eines im Eingangsbereich eines Geschäfts liegenden Schäferhunds bejaht worden (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.02.2013, Az. 19 U 96/12).

  • Schreck-/Angstreaktionen

    Kommt eine Person zu schaden, weil sie etwa vor einem freilaufenden Tier aus Schreck oder Angst zurückweicht, hat sich damit eine typische Tiergefahr verwirklicht (Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 08.02.1991, Az. 6 U 2394/90). Eine Haftung ist aber ausgeschlossen, wenn die Schreck- bzw. Angstreaktion ungewöhnlich ist oder eine Überreaktion vorliegt. Dies wurde zum Beispiel in Fällen angenommen, in denen ein Passant wegen eines hinter einem Zaun befindlichen und bellenden Hundes stürzt (Landgericht Ansbach, Urteil vom 08.05.1992, Az. 1 S 98/92) oder ein Radfahrer wegen eines angeleinten aber einmal bellenden Hundes eine Ausweichbewegung macht und dadurch zu Fall kommt (Landgericht Coburg, Urteil vom 29.11.2013, Az. 32 S 47/13).

  • Ausscheidungen

    Ein Tierhalter haftet auch für Ausscheidungen seines Tiers. Denn dieser Vorgang ist Ausdruck der Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens. Wird daher der Teppich in einer Wohnung durch Ausscheidungen eines Hundes verunreinigt, haftet der Hundehalter (Amtsgericht Böblingen, Urteil vom 30.06.1997, Az. 2 C 3212/96).

Wer ist ein Tierhalter?

Als Tierhalter gilt derjenige, der die Bestimmungsgewalt über das Tier hat, aus eigenem Interesse für die Kosten des Tiers aufkommt und den allgemeinen Wert und Nutzen des Tiers in Anspruch nimmt. Auf die Frage der Eigentümerschaft kommt es somit nicht an. Es ist zudem möglich, dass mehrere Personen Halter eines Tiers sind.

#1281 (625)
Google Adsense 1

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert