Was versteht man unter Kranzgeld?"Der Heil’ge Geist ist sehr verwundert, Maria klagt aus Dreizehnhundert."
Was ist unter dem Begriff des Kranzgeldes zu verstehen?
Unter dem Begriff des Kranzgeldes verstand man die Entschädigung, die eine unbescholtene Frau von ihrem Verlobten verlangen konnte, wenn sie auf Grund des Eheversprechens mit ihm Geschlechtsverkehr hatte und er anschließend das Verlöbnis löste. Geregelt war diese Art von Schmerzensgeld in § 1300 BGB. Die Vorschrift trat am 1. Januar 1900 in Kraft und wurde 1998 abgeschafft.
Der Anspruch wurde damit begründet, dass es für eine entjungferte Frau wesentlich schwieriger war sich wieder standesgemäß zu verheiraten. Der Begriff des „unbescholten“ bezog sich aber nicht nur auf die Jungfräulichkeit der Frau, sondern betraf auch andere Sachverhalte, wie etwa Gefängnisaufenthalte. War eine Frau nicht mehr unbescholten, so stand ihr der Entschädigungsanspruch nicht zu.
Wie lautete § 1300 BGB?
Hier der Wortlaut von § 1300 BGB (gültig vom 1.1.1900 bis zum 1.7.1998):
1300 BGB
(1) Hat eine unbescholtene Verlobte ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet, so kann sie, wenn die Voraussetzungen des § 1298 oder des § 1299 vorliegen, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangen.
(2) Der Anspruch ist nicht übertragbar und geht nicht auf die Erben über, es sei denn, daß er durch Vertrag anerkannt oder daß er rechtshängig geworden ist.
§ 1300 BGB wurde durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechtes vom 4. Mai 1998 zum 1. Juli 1998 ersatzlos gestrichen. Unter Juristen war § 1300 mit einem kleinen Merkspruch allgegenwärtig: „Der Heil’ge Geist ist sehr verwundert, Maria klagt aus Dreizehnhundert.“
Urteil des Oberlandesgerichts Köln
Noch 1968 bekam eine Frau vom Oberlandesgericht Köln ein Kranzgeld zugesprochen (OLG Köln, Urteil vom 12.01.1968, Az. 9 U 182/67, MDR 1968, 585). Die Richter meinten, dass grundsätzlich zu vermuten sei, dass eine Frau unbescholten ist (vgl. auch LG Essen, FamRZ 1957, 175). Das gelte auch bei einer 40-jährigen Frau. Die Kölner Richter ließen nicht gelten, dass der Mann, wie er behauptet hatte, von der Frau zum Geschlechtsverkehr verführt worden sei.
Letzte dokumentierte Verurteilung wohl 1980
Die Vorschrift verlor nach der letzten dokumentierten Verurteilung zur Zahlung eines Kranzgeldes nach § 1300 BGB durch das Amtsgericht Korbach am 06.05.1980, Az. 3 C 321/79, immer mehr an Bedeutung.
Amtsgericht Münster
Das Amtsgericht Münster entschied im Jahr 1992, dass die Vorschrift wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verfassungswidrig ist und verneinte daher einen Anspruch auf Kranzgeld (Amtsgericht Münster, Urteil vom 08.12.1992, Az. 50 C 628/92). Die zuständige Richterin, Sigrid Schöne schrieb damit Rechtsgeschichte. Schöne hatte damals über die Klage einer Frau zu entscheiden, die 1000 DM Schmerzensgeld von ihrem Ex verlangte.
Die beiden hatten sich an Neujahr 1991 verlobt. Im Osterurlaub kam es dann zum Geschlechtsverkehr. Per Brief löste der Mann im Sommer 1991 das Verlöbnis. Die Frau argumentierte jetzt vor Gericht, dass es für sie nunmehr nicht mehr leicht sei, einen anderen Mann zu finden. Einige Männer würden großen Wert auf geschlechtliche Unbescholtenheit legen. Außerdem fürchtete sie, von ihren Freunden ausgelacht zu werden. Ein Schmerzensgeld von 1000 DM sei daher angemessen.
Richterin Schöne fällte 1992 ein bahnbrechendes Urteil. Sie wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Kranzgeld-Paragraf verfassungswidrig sei, weil er die Gleichstellung von Mann und Frau unterwandere. Warum solle denn nur die Frau von einem gelösten Verlöbnis den Schaden haben, fragte sich die Richterin?
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte diese Entscheidung (BVerfG, 05.02.1993 – 1 BvR 39/93). Das Kranzgeld verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 GG. Dass das Amtsgericht Münster „§ 1300 BGB als verfassungswidrig angesehen hat, weil objektive biologische und funktionale Unterschiede die durch diese Norm erfolgende Ungleichbehandlung von Mann und Frau nicht rechtfertigen könnten, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden“, urteilten die Verfassungsrichter.
1300 BGB mittlerweile abgeschafft
Es dauerte dann noch bis ins Jahr 1998 als § 1300 BGB endgültig aus dem Gesetzbuch gestrichen wurde.
Siehe auch: Seit wann ist Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar?
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Hallo, mein ältester Palandt (49. Auflage, 1990) auf Anwendung des § 1300 zu späterer Zeit. Es sind zitiert: LG Saarbrücken NJW 87,2241 und AG St. Ingbert FamRZ 87, 941. Allerdings habe ich die beiden Veröffentlichungen nicht vorliegen, weiss daher auch nicht ob dem Zahlungsbegehren stattgegeben wurde