Verdienstausfallschaden10.01.2022

Was ist ein Verdienstausfallschaden und wie wird er berechnet?Es ist oft schwierig, den Verdienstausfall klar darzulegen. Worauf kommt es beim Verdienstausfall an?

Schadenersatz bei einem Personenschaden z.B. nach einem Verkehrsunfall, einem anderen Unfallereignis oder einer ärztlichen Fehlbehandlung umfasst den Verdienstausfall, der der verletzten Person entsteht. Kann jemand aufgrund einer Verletzung nicht seiner Erwerbstätigkeit nachgehen und erleidet dadurch einen Verdienstausfall, so muss die zum Schadenersatz verpflichtete Person diesen Ausfall erstatten. Doch wie wird der Verdienstausfall berechnet?

Verdienstausfallschaden im Angestelltenverhältnis bei Lohnfortzahlung

Ein großes Problem ist regelmäßig die genaue Bezifferung des Verdienstausfallschadens. Denn der Anspruchsberechtigte, der den Verdienstausfall geltend macht, muss dessen Höhe konkret darlegen und beweisen. Einfach ist dies noch bei klar abgrenzbaren Verdienstausfällen für kurze Zeiträume bei einer klaren Einkommenssituation. Kann beispielsweise ein Arbeitnehmer aufgrund der Verletzungen aus einem Verkehrsunfall einen Monat lang nicht der Arbeit nachgehen und ist arbeitsunfähig krankgeschrieben, so muss der Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts den Lohn unverändert an den Arbeitnehmer fortzahlen, ohne im Gegenzug dessen Arbeitsleistung zu erhalten. Der gezahlte Lohn ohne Gegenleistung stellt einen Schaden dar, den der Arbeitgeber im Wege des Regresses gegen den Schädiger geltend machen kann.

Verdienstausfall nach Ende der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber

Nach Ablauf des Anspruchs auf Lohnfortzahlung kann der betroffene Arbeitnehmer den Verdienstausfall direkt gegen den Schädiger geltend machen. Dabei muss er nachweisen, dass und in welcher Höhe ihm Einnahmen aufgrund des Schadensereignisses entgehen.

Verdienstausfall von Selbständigen

Auch wenn ein Selbständiger einen festen Auftrag aufgrund einer unfallbedingten Verletzung nicht ausführen kann und den Auftrag verliert, so kann der ihm entgehende Lohn als Verdienstausfall geltend gemacht werden.

Wie lässt sich zukünftiger hypothetischer Verdienstausfall nachweisen?

Komplizierter wird es, wenn sich die Verletzung auf längere Zeiträume erstreckt bzw. auf Zeiträume, für die noch keine gesichertes Einkommen benannt werden kann. Grundsätzlich führt eine dauerhafte Verletzung, die einen dauerhaften Verdienstausfall nach sich zieht, zu einem Anspruch auf dauerhaften Ersatz des Verdienstausfalls. Wie aber kann etwa ein Selbständiges einen Verdienstausfall für in Zukunft liegenden Zeiträume nachweisen, für die noch gar keine Aufträge vorliegen? Oder: Ob und in welcher Höhe besteht Anspruch auf Verdienstausfall, wenn beispielsweise ein Kind bzw. noch nicht im Erwerbsleben stehender junger Mensch Opfer eines schweren Verkehrsunfalls wird und so schwer geschädigt wird, dass es niemals wird arbeiten können? Welchen Beruf es als Erwachsener ergriffen hätte, lässt sich nicht erraten.

Lebenslanger Verdienstausfall eines verletzten Schülers

In einem Schadenersatzprozess aufgrund eines Verkehrsunfalls hat das Oberlandesgericht Düsseldorf dem durch den Unfall dauerhaft verletzten Schüler einen dauerhaften Verdienstausfallschaden zugesprochen (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.08.2021, Az. 1 U 68/19).

Der zum Unfallzeitpunkt 19 Jahre alte Schüler erlitt durch den Unfall starke Kopfverletzungen, die zu dauerhaften körperlichen und mentalen Defiziten führten. Der Schüler, der vor dem Unfall noch die 12. Klasse des Gymnasiums besucht hatte, konnte nach dem Unfall aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr dem Unterricht am Gymnasium folgen. Er machte schließlich eine Ausbildung zum gestaltungstechnischen Assistenten, konnte aber in der Folge wegen seiner Beeinträchtigungen in diesem Beruf nicht arbeiten und wurde aufgrund vollständiger Arbeitsunfähigkeit schließlich frühverrentet.

Schüler konnte Prognose zu Erfolg im einstigen Wunschberuf nicht nachweisen

Vor Gericht beantragte der Kläger den Ersatz eines Verdienstausfallschadens auf Grundlage des Gehalts eines Wirtschaftspsychologen, der er ohne das Unfallereignis hätte werden wollen. Dies versagte ihm das Gericht, da er nicht hinreichend darlegen konnte, dass er ohne das Unfallereignis eine entsprechende Ausbildung erfolgreich absolviert hätte und in diesem Beruf tätig geworden wäre. Er habe dieses Berufsziel in dem Gerichtsverfahren nicht durch weitere Angaben unterfüttert. So habe er etwa nicht zu einem besonderen Interesse an psychologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fragestellungen vorgetragen. Auch habe er nicht vorgetragen, dass er über Freunde oder Familie an das Berufsfeld herangeführt worden wäre oder sich entsprechend im Internet oder über andere Medien über den Beruf informiert hätte.

Dennoch hat das Gericht dem Kläger einen dauerhaften Verdienstausfall zugesprochen. Zwar konnte der Kläger nicht nachweisen, dass er ohne das Unfallereignis Wirtschaftspsychologe geworden wäre und ein entsprechendes Erwerbseinkommen erhalten hätte. Gemäß Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hätte der geschädigte Kläger soweit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für die erforderliche Berufsprognose dartun müssen. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Unfall zu einem Zeitpunkt geschah, in dem der Geschädigte noch gar nicht im Berufsleben stand, sondern sich noch in der Ausbildung befand und noch keine Erfolge in der angestrebten Tätigkeit nachweisen konnte. Die Klage war deshalb nicht ausreichend schlüssig.

Unmöglichkeit zuverlässiger Berufsprognose darf Jugendlichen nicht zum Nachteil gereichen

Dass über die berufliche Zukunft eines Geschädigten noch gar keine zuverlässige Aussage möglich ist, dürfe jedoch, so das Oberlandesgericht Düsseldorf, dem Geschädigten nicht zum Nachteil gereichen. Es liege schließlich in der Verantwortlichkeit des Schädigers, dass der Geschädigte in einem sehr frühen Zeitpunkt seiner Entwicklung aus der Bahn geworfen worden sei und sich erst daraus die besondere Schwierigkeit einer Prognose ergebe.

Daher dürfe sich das Gericht nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen der Schadensermittlung aufgrund Schätzung gemäß §§ 252, 287 ZPO (Zivilprozessordnung) entziehen. Bei einem jugendlichen Menschen könne schließlich ohne konkrete Anhaltspunkte nicht angenommen werden, dass er auf Dauer die ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten für eine Erwerbstätigkeit nicht nutzen und erwerbslos bleiben werde.

Berufsprognose auf Grundlage des gewöhnlichen Laufs der Dinge

Auch ohne weiteren Parteivortrag müsse das Gericht deshalb die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht fernliegende Möglichkeit der Erwerbstätigkeit berücksichtigen. Das Gericht sprach dem Kläger deshalb einen Verdienstausfallschaden auf Grundlage des Berufs eines gestaltungstechnischen Assistenten zu, dessen Ausbildung der Kläger nach dem Unfall noch absolviert hatte. Den hypothetischen Verdienst setzte das Gericht im unteren Bereich der statistischen Einkommensverteilung in dem erlernten Beruf fest.

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