Mitverschulden24.02.2022

Was ist Mit­verschulden?Welche Folgen hat ein Mit­verschulden?

An einem Schadensereignis können Mehrere beteiligt sein. Dann muss für jeden sein Mitverurschungs- bzw. Mitverschuldensanteil bestimmt werden. Aber was bedeutet das genau, wann besteht ein Mitverschulden?

Was versteht man unter Mitverschulden?

Unter dem Begriff „Mit­verschulden“ versteht man das Verschulden des Geschädigten, welches bei der Entstehung eines Schadens mitgewirkt hat. Der Geschädigte hat sich in einem solchen Fall sorgfalts­widrig verhalten und sich dadurch selbst in eine Lage gebracht, in der sich das Verhalten des Schädigers schädigend für ihn auswirken konnte. Der Geschädigte hat also seine eigenen Schutz­interessen vernachlässigt. Das Mit­verschulden wird daher auch als „Verschulden gegen sich selbst“ bezeichnet.

Welche Folgen hat ein Mit­verschulden?

Ist ein Mit­verschulden fest­zustellen kann nach § 254 Abs. 1 BGB der Anspruch auf Schadens­ersatz oder Schmerzens­geld ganz oder zum Teil entfallen. Je nach der Schwere der jeweiligen Verant­wortlichkeit kann es zu einer Aufteilung des Schadens nach Quoten kommen. So kann zum Beispiel der Schädiger zu ¾ und der Geschädigte zu ¼ haften, wenn dem Geschädigten ein entsprechendes Mit­verschulden anzulasten ist.
Voraussetzung für den Wegfall oder die Minderung des Ersatz­anspruches ist zunächst, dass das Mit­verschulden (mit-)ursächlich für die Entstehung des Schadens war. Würde man aber allein auf die Kausalität abstellen, würde dies zu einer uferlosen Ausweitung der Anwendung des Mit­verschuldens führen. So könnte zum Bespiel die Justiz­vollzugs­anstalt, die von einem Häftling wegen Verletzung der Fürsorge­pflicht auf Schadens­ersatz in Anspruch genommen wird, einwenden, dass der Häftling an seiner Inhaftierung selbst schuld ist. Es muss daher stets geprüft werden, ob der Geschädigte gegen eine Obliegen­heit verstoßen hat, die gerade vor dem eingetretenen Schaden schützen soll (sog. Schutzweck der Norm). Im obigen Beispiel wäre dies zu verneinen. Denn die Strafnorm, gegen die der Häftling verstoßen hat, soll nicht davor schützen, dass die Justiz­vollzugs­anstalt wegen der Verletzung ihrer Fürsorge­pflichten haften muss.

Kein Mitverschulden aufgrund gesetzlicher Vermutung – Nachweis des Mitverschuldens erforderlich

Bei der Prüfung des Mitverschuldens werden nur Umstände berücksichtigt, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sind. Ein Verschulden, dass lediglich gesetzlich vermutet wird, darf dem Bundesgerichtshof zufolge nicht berücksichtigt werden. Denn bei einer reinen gesetzlichen Vermutung fehlt jeder Anhalt für das Maß dieses Verschuldens, das von der leichtesten Fahrlässigkeit bis zur gröbsten Sorgfaltspflichtverletzung reichen kann. Nur wenn das Maß der Verantwortlichkeit beider Teile feststeht, ist eine sachgemäße Abwägung durch das Gericht möglich (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.03.2012, Az. VI ZR 3/11).

Ist das Mit­verschulden auch bei der verschuldens­unabhängigen Haftung zu berücksichtigen

Haftet der Schädiger für einen Schaden unabhängig von einem Verschulden, so ist das Mit­verschulden dennoch zu berücksichtigen.

Kann Kindern ein Mitverschulden zugerechnet werden?

Die Zurechnung eines Mit­verschuldens zur Entstehung eines Schadens ist bei Kindern, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach § 828 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Bei Kindern zwischen 7 und 17 Jahren findet unter den Voraus­setzungen des § 828 Abs. 2 und 3 BGB das Mit­verschulden Berücksichtigung. Es ist daher zum einen zu Frage, ob das Kind vorsätzlich seine eigenen Interessen vernachlässigt hat, und zum anderen, ob das Kind in der Lage ist, seine eigene Verant­wortlichkeit zu erkennen.

Kommt ein Mitverschulden des Kindes in Betracht, so sind hinsichtlich des Mitverschuldensanteils altersgemäße Maßstäbe anzulegen. Das Verschulden eines Kindes ist grundsätzlich geringer zu bewerten als das eines beteiligten Erwachsenen (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 20.06.2012, Az. 13 U 42/12).

Kein Mitverschulden bei Bewusslosigkeit

Das Mit­verschulden wird zudem dann nicht zugerechnet, wenn der Geschädigte im Zustand der Bewusstlosig­keit oder in einem die freie Willens­bestimmung aus­schließenden Zustand krankhafter Störung der Geistes­tätigkeit einem anderen Schaden zugefügt hat (vgl. § 827 BGB).

Muss sich der Geschädigte das Mit­verschulden von Dritten zurechnen lassen?

Der Geschädigte muss sich das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlich­keit bedient, als eigenes Mit­verschulden zurechnen lassen. Dazu können etwa die Eltern eines Kindes oder Arbeit­nehmer gehören. Geregelt ist dies in § 254 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 278 BGB. Zur Zurechnung kommt es jedoch nur, wenn zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten ein Schuld­verhältnis besteht.

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Quelle:refrago/rb/we
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