04.04.2013

Dürfen Architekten Baukosten „beliebig hoch“ schätzen und damit ihr Honorar nach HOAI „beliebig hoch“ ansetzen?

Bei den meisten Bauvorhaben ist es sinnvoll und erforderlich, einen Architekten einzuschalten. Für baugenehmigungspflichtige Bauvorhaben kann nur ein bauvorlageberechtigter Architekt Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung bei der Bauordnungsbehörde des zuständigen Bauamtes stellen. Immer wieder problematisch ist die Frage nach der Höhe der Vergütung von Architekten und deren Leistungen. Wie ermittelt sich Architektenhonorar?

Gesetzliche Vergütung des Architekten nach HOAI

Natürlich steht dem Architekten für seine Tätigkeit eine Vergütung zu, und zwar unabhängig davon ob Architekt und Bauherr eine Vergütungsvereinbarung getroffen haben oder nicht. Wenn Bauherr und Architekt keine andere Vergütung vereinbaren, ergibt sich das Honorar des Architekten kraft Gesetzes aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI).

Für die Höhe des Honorars kommt es einerseits darauf an, in welchem Umfang der Architekt tätig ist und andererseits, wie teuer das Bauvorhaben ist. Dabei wird der Architekt nach HOAI in der Regel auf Grundlage seiner eigenen Kostenschätzung für das Bauvorhaben bezahlt: je höher der Architekt die Kosten des Bauvorhabens schätzt, desto höher fällt seine Vergütung aus.

Das ist in der Praxis nicht unproblematisch, da der Bauherr vage Vorstellungen über Zweck oder Formen seines Bauvorhabens haben mag, oftmals aber weder die einzelnen Planungsschritte, noch die genauen Baukosten oder gar Fragen der Bautechnik abschätzen kann. Übrigens sind viele Gebiete so komplex, dass auch der Architekt für spezifische Fragen wie Statik, Vermessung, Brandschutz u.ä. fachlich spezialisierte Ingenieure hinzuzieht, für die er nach Urteil des Bundesgerichtshofs VII ZR 128/11 vom 26.01.2012 keine gesonderte Vergütung erhält, wenn es sich dabei für eine Grundleistung nach § 2 Abs. 2 HOAI handelt (dazu gehörte z.B. in dem entschiedenen Fall der Brandschutz).

Vergütung nach Leistungsphasen

Viele Details eines Bauvorhabens ergeben sich oftmals erst im Rahmen der Planung. Die HOAI unterscheidet in § 3 Abs. 4 HOAI zwischen insgesamt neun Leistungsphasen, innerhalb derer die unterschiedlichen Planungs- und Arbeitsschritte abgebildet werden sollen.
Für die Erstellung und den Ausbau von Gebäuden im Sinne von § 33 HOAI entfallen auf die einzelnen Leistungsphasen üblicherweise folgende Anteile der Gesamtvergütung:

ProzenteLeistungsphase
3 %1. Leistungsphase: Grundlagenermittlung, d.h. z.B. Gespräche mit dem Bauherrn
7 %2. Leistungsphase: Vorplanung mit Kostenschätzung
11 %3. Leistungsphase: Entwurfsplanung und Kostenberechnung
6 %4. Leistungsphase: Genehmigungsplanung
25 %5. Leistungsphase: Ausführungsplanung
10 %6. Leistungsphase: Vorbereitung der Vergabe
4 %7. Leistungsphase: Mitwirkung bei der Vergabe einschließlich Kostenanschlag
31 %8. Leistungsphase: Objektüberwachung, d.h. Bauüberwachung inkl. Kostenfeststellung
3 %9. Leistungsphase: Objektbetreuung und Dokumentation
100 %Gesamtvergütung

Natürlich sind Bauherren und Architekten frei, eine andere Vergütung, bzw. nicht alle sondern nur die Erbringung einiger Leistungsphasen zu vereinbaren. Wenn etwa die ausführenden Handwerksbetriebe (z.B. wegen einer vorangegangenen Tätigkeit oder wegen Empfehlungen) schon feststehen, macht eine Tätigkeit des Architekten hinsichtlich der Vergabe wenig Sinn.
Das strukturelle Problem der Vergütung nach HOAI bestand bislang darin, dass die Baukosten, anhand derer sich die Gesamtvergütung nach HOAI errechnet, erst in Leistungsphase 3 festgestellt werden. Dann waren aber schon umfangreiche Tätigkeiten erfolgt, die in mit einem Anteil von 21 % an 100 % Gesamtvergütung für die Erbringung der ersten drei Leistungsphasen vergütet werden sollten.

Können sich Architekten deshalb selbst „beliebig hohe“ Honorare festlegen?

Wenn der Architekt selbst die Höhe der Baukosten errechnet, ist der Bauherr dem Architekten nicht nur fachlich, sondern auch im Hinblick auf dessen Vergütung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. So schien es jedenfalls bis zum Urteil VII ZR 230/11 des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2013. Architekten standen in einem Zielkonflikt, weil sie keinerlei Anreiz hatten, dem Bauherrn Kosten zu sparen und damit selbst für die gleiche oder sogar eine aufwändigere Leistung weniger zu verdienen.
In dem vom Bundesgerichtshof am 21.03.2013 entschiedenen Fall hatte der Bauherr den Architekten mit der Genehmigungsplanung für ein Wohnhaus beauftragt. Da die durch den Architekten in Leistungsphase 3 ermittelten Kosten bei 1,5 Mio. DM lagen, war die gesamte Bauplanung für den Bauherrn unbrauchbar, der dem Architekten einen Kostenrahmen von 800.000 DM benannt hatte. Daraufhin stellte der Architekt seine bisherigen Planungsleistungen auf Grundlage der 1,5 Mio. DM Bausumme in Rechnung.
Mit seinem Urteil VII ZR 230/11 hat der Bundesgerichtshof am 21.03.2013 entschieden, dass Architekten verpflichtet sind, schon im Rahmen der Grundlagenermittlung, also im Rahmen von Leistungsphase 1 die Kostenvorstellungen des Bauherrn zu ermitteln.
Aus diesem sehr sachgerechten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.03.2013 folgt, dass Bauherren bei Einschaltung eines Architekten zunächst nur eine Bezahlung von 3 % der Gesamtvergütung aus der von ihnen vorgestellten Bausumme „riskieren“. Erst wenn der vorgestellte wirtschaftliche Rahmen des Bauherrn das Bauvorhaben trägt, kann der Architekt weitere honorarpflichtige Tätigkeiten vornehmen.
Mit seinem richtungweisenden Urteil fördert der Bundesgerichtshof die Transparenz von Vergütungen von Architektenleistungen. Der Architekt ist natürlich ebenso frei, einen Auftrag auf Grundlage einer zu niedrigen Bausumme abzulehnen, wie der Bauherr frei ist, die Bausumme zu erhöhen.
Und natürlich können Bauherr und Architekt jederzeit eine von der HOAI abweichende Vergütungsvereinbarung treffen. Das ist in der Regel zwar sachgerechter, erfordert aber detaillierte Kenntnisse oder eine sachkundige Prüfung durch einen Rechtsanwalt oder Bausachverständigen.

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