Untersuchungshaft15.02.2022

Welche Rechte hat man in Untersuchungshaft?Untersuchungshaft unterscheidet sich von Haft, die im Rahmen einer Freiheitsstrafe durchgeführt wird

Untersuchungshaft ist die Inhaftierung von Personen zur Sicherung des gegen sie geführten strafrechtlichen Verfahrens. Die Inhaftierung erfolgt, bevor in einem ordentlichen Strafverfahren die Schuld des Beschuldigten nachgewiesen wurde. Die Untersuchungshaft, die sich also gegen Personen richtet, die vor dem Gesetz als unschuldig gelten, unterliegt anderen rechtlichen Rahmenbedingungen als die im Zuge eines Strafverfahrens ausgesprochene Freiheitsstrafe, die als schuldangemessene Bestrafung für die angeklagte Straftat verhängt wird. Welche Rechte hat man in Untersuchungshaft?

Wann darf Untersuchungshaft angeordnet werden?

Untersuchungshaft darf vom zuständigen Gericht gemäß § 112 Absatz 1 StPO angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht (d.h. dass die Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann) und ein Haftgrund vorliegt. Ferner muss die Untersuchungshaft verhältnismäßig sein (und darf z.B. nicht wegen einer Bagatelle verhängt werden).

Zulässige Haftgründe zählt § 112 Absatz 2 StPO auf. Dazu gehören die Fluchtgefahr, die Verdunkelungsgefahr, die Gefahr der unlauteren Einwirkung auf Zeugen, Mitbeschuldigte oder Sachverständige und in bestimmten Fällen gemäß § 112 a StPO die Wiederholungsgefahr.

Schriftlicher Haftbefehl und Belehrung des Beschuldigten bei Festnahme

Die Untersuchungshaft wird gemäß § 114 StPO durch den schriftlichen Haftbefehl des zuständigen Haftrichters angeordnet. Der Beschuldigte ist unverzüglich in einer für ihn verständlichen Sprache über seine Rechte zu belehren. Wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, hat im gesamten Strafverfahren das Recht, einen Dolmetscher oder Übersetzer hinzuzuziehen.

Ausländische Beschuldigte müssen über ihr Recht, die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes über die Untersuchungshaft zu informieren und ihr Mitteilungen zukommen zu lassen, belehrt werden.

Verhaftete Beschuldigte sollen zudem unverzüglich Gelegenheit erhalten, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen.

Der Beschuldigte ist unverzüglich nach der Festnahme dem zuständigen Gericht vorzuführen (§ 115 StPO). Unverzüglich und spätestens am Tag danach muss das Gericht den Beschuldigten zur Sache vernehmen, wobei der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umstände sowie auf sein Recht, zu schweigen, hinzuweisen ist. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Haftgründe zu entkräften und Tatsachen geltend zu machen, die für ihn sprechen.

Recht auf Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls

Gemäß § 116 Absatz 1 StPO hat das Gericht den Vollzug des Haftbefehls auszusetzen, wenn der Haftbefehl wegen Fluchtgefahr angeordnet wurde und die Sicherung des Strafverfahrens auch mit einem milderen Mittel erreicht werden kann. Als milderes Mittel kommen etwa die Auflage, sich in bestimmten Intervallen bei der örtlichen Polizeidienststelle zu melden, einen bestimmten Ort oder die Wohnung nicht zu verlassen, oder eine Kaution zu bezahlen, in Betracht. Festgenommene Beschuldigte bzw. ihr Anwalt werden bei Fluchtgefahr als Haftgrund die für sie sprechenden Umstände vortragen, aus denen sich die Abwendung der Fluchtgefahr durch ein milderes Mittel als die Untersuchungshaft ergibt.

Bei dem Haftgrund der Verdunkelungsgefahr kann das Gericht ebenfalls statt der Untersuchungshaft weniger einschneidende Maßnahmen anordnen. Als Beispiel nennt § 116 Absatz 2 StPO das Verbot, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen Kontakt aufzunehmen.

Recht auf einen Verteidiger

Beschuldigte haben jederzeit das Recht auf einen Anwalt, der frei gewählt werden darf. Bei Festnahme muss eine Belehrung über dieses Recht erfolgen. Dem Beschuldigten müssen Informationen zur Kontaktierung eines Verteidigers (etwa die Telefonnummer) zur Verfügung gestellt werden, und es muss auf bestehende anwaltliche Notdienste hingewiesen werden. Auch wer noch keinen Anwalt kennt, muss die Möglichkeit haben, an einen Verteidiger zu kommen.

Pflichtverteidigung bei Untersuchungshaft

In bestimmten Fällen wird dem Beschuldigten sogar unabhängig davon, ob er will oder nicht, von Amts wegen ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Dies ist etwa der Fall, wenn dem Beschuldigten die Begehung eines Verbrechens (d.h. einer Straftat mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr) vorgeworfen wird, wenn eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren erwartet wird oder ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Pflichtverteidigung beantragt. Liegen die Voraussetzung für eine Pflichtverteidigerbestellung vor, so hat diese unverzüglich zu erfolgen.

Beschuldigte ohne Anwalt können selbst in Ermittlungsakte einsehen

Beschuldigte, die keinen Verteidiger in Anspruch nehmen, haben selbst das Recht, in die Ermittlungsakte einzusehen und unter Aufsicht amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. So werden sie in die Lage versetzt, sich über den Ermittlungsstand zu informieren und sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen.

In der Untersuchungshaft haben Beschuldigte ferner das Recht auf freie Arztwahl.

Die Haftprüfung

Der Beschuldigte kann jederzeit selbst oder über seinen Verteidiger eine gerichtliche Haftprüfung beantragen. Der Haftrichter hat dann gemäß § 117 Absatz 1 StPO zu prüfen, ob der Haftbefehl aufzuheben oder der Vollzug auszusetzen ist. Es erfolgt also eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Haftbefehls, d.h., ob die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen, und ob der Haftbefehl gegen Auflagen aufgehoben werden kann. Der Beschuldigte kann dabei die für ihn sprechenden Umstände vorbringen. Auf Antrag bzw. wenn das Gericht dies für geboten hält, erfolgt unverzüglich und spätestens zwei Wochen nach Antragstellung des Beschuldigten eine mündliche Verhandlung vor dem Haftrichter, nach der die Entscheidung über die Untersuchungshaft ergeht.

Welche Rechte haben Beschuldigte während der Untersuchungshaft?

Welche Rechte Beschuldigte hinsichtlich der Haftbedingungen haben, ergibt sich aus den Untersuchungshaftvollzugsgesetzen der Bundesländer, die in den grundlegenden Punkten übereinstimmen. Die Ausgestaltung der Untersuchungshaft ist auf die Sicherung des Strafverfahrens ausgerichtet und muss den Umstand berücksichtigen, dass Beschuldigte bis zu ihrer Verurteilung als unschuldig gelten.

So heißt es in § 4 Absatz 1 des Berliner Untersuchungshaftvollzugsgesetz (UVollzG Bln), dass die Untersuchungsgefangenen so zu behandeln sind, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten. Gemäß § 4 Absatz 4 UVollzG Bln dürfen den Gefangenen nur gesetzlich geregelte Beschränkungen sowie Beschränkungen, „die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung unerlässlich sind“, auferlegt werden.

Getrennte Unterbringung der Untersuchungsgefangenen

Untersuchungsgefangene sollen – von gesetzlich definierten Ausnahmen abgesehen – getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden. Dies erfolgt in der Regel bereits durch die Unterbringung in gesonderten Untersuchungshaftanstalten. Es erfolgt eine Trennung nach Geschlechtern. Auch werden minderjährige Untersuchungsgefangene nicht gemeinsam mit erwachsenen Gefangenen untergebracht.

Untersuchungsgefangene haben grundsätzlich Anspruch auf eine Einzelunterbringungen. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei Zustimmung der Gefangenen oder im Haftkrankenhaus – dürfen zwei Häftlinge gemeinsam in einem Haftraum untergebracht werden.

Die Unterbringung im Haftraum (Zelle) erfolgt während der sogenannten „Einschlusszeiten“ (u.a. nachts zum Schlafen). Außerhalb dieser Zeiten dürfen sich die Untersuchungsgefangenen in Gemeinschaft aufhalten.

Fernseher und Radio im Haftraum

Ihren Haftraum dürfen die Gefangenen in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten. Sie haben das Recht auf einen Fernseher und ein Radio. Das Gefängnis muss den Zugang zum Radio- und Fernsehempfang ermöglichen. Die Kosten dafür müssen die Gefangenen selbst bezahlen und werden nur unter bestimmten Umständen vom Staat übernommen.

Sofern die Haftgründe nicht dagegen sprechen, können auch andere Elektrogeräte zur Unterhaltung zugelassen werden. Wegen der drohenden Verdunkelungsgefahr ist dies insbesondere davon abhängig, ob die Geräte eine unkontrollierte Kommunikation nach außen zulassen.

Auch Zeitungen und Zeitschriften dürfen auf eigene Kosten bezogen werden.

Religionsausübung

Untersuchungsgefangenen ist ferner die religiöse Betreuung durch einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft zu ermöglichen. Sie haben das Recht, an Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen ihrer Religionsgemeinschaft teilzunehmen.

Recht auf eigene Kleidung

Sie dürfen ihre eigene Kleidung tragen, müssen aber dann auch selbst für deren Reinigung und Instandhaltung auf eigene Kosten sorgen.

Eingeschränktes Besuchsrecht

Untersuchungsgefangene dürfen Besucher empfangen. Allerdings ist das Besuchsrecht stark limitiert und von den Kapazitäten der jeweiligen Haftanstalt abhängig. So beträgt die vorgeschriebene Mindestbesuchszeit für Untersuchungsgefangene in Berlin lediglich zwei Stunden im Monat (§ 33 Absatz 1 UVollzG Bln). Kontakte zu Angehörigen und insbesondere minderjährigen Kindern werden besonders gefördert.

Die Besuche dürfen optisch überwacht werden. Eine Gesprächsüberwachung findet aber nur statt, wenn dies im Einzelfall aus Sicherheitsgründen erforderlich ist.

Uneingeschränkter Kontakt mit Verteidiger

Verteidigerbesuche sind von den allgemeinen Besuchsauflagen allerdings ausgenommen. Verteidiger dürfen ihre Mandanten in Untersuchungshaft stets besuchen. Besuche bzw. Gespräche mit dem Verteidiger dürfen unter keinen Umständen beaufsichtigt oder überwacht werden.

Briefverkehr

Untersuchungsgefangene dürfen auch Briefe (auf eigene Kosten) versenden und empfangen. Der Schriftverkehr darf nur überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Anstaltssicherheit erforderlich ist. Der Schriftverkehr mit dem Verteidiger darf nicht überwacht werden. Auch darf keine Überwachung des Schriftverkehrs mit bestimmten Institutionen wie z.B. der konsularischen Vertretung des Heimatlandes des Gefangenen, dem Bundestag oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stattfinden.

Telefonate

Untersuchungsgefangene dürfen ferner telefonieren, wobei die Vermittlung des Telefonats durch die Haftanstalt erfolgt. Unter den gleichen Voraussetzungen wie Besuche können Telefonate überwacht oder untersagt werden, sofern dies aus Sicherheitsgründen erforderlich ist.

Rechtsbehelfe in der Untersuchungshaft

Bei Streit über die Haftbedingungen können Untersuchungsgefangene Beschwerde beim Anstaltsleiter oder beim Anstaltsrat des Untersuchungsgefängnisses einlegen oder sich an den in dem jeweiligen Bundesland zuständigen Ombudsmann oder Justizvollzugsbeauftragten wenden.

Bei Streit mit der Anstaltsleitung können sich Untersuchungsgefangene an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden.

Ferner kann (wahlweise mit Hilfe Anwalts) ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der Strafvollstreckungskammer des zuständigen Landgerichts gestellt werden. Gegen deren Entscheidung kann wiederum Rechtsbeschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht eingelegt werden.

Quelle:refrago/we
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